Die Roßweinerinnen und Roßweiner trauern um ihren Bürgermeister und Ehrenbürger Veit Lindner
Auch wenn den Menschen in der Stadt bekannt war, dass Bürgermeister Veit Lindner aus gesundheitlichen Gründen keine weitere Amtszeit anstrebte, so zeigten sich viele zutiefst betroffen, als die Nachricht von seinem Tod am 12. März bekannt wurde. Sein Leben endete viel zu jung und viel zu früh für all die Dinge, die er selbst noch erleben und jene, die er noch zum Wohle Roßweins bewegen wollte.
Um den Bürgerinnen und Bürgern Raum für ihre Trauer zu geben, legte die Stadtverwaltung im großen Sitzungssaal Kondolenzbücher aus, in welche man seine Gedanken zum Verlust dieses engagierten Streiters für seine Heimatstadt Roßwein und die Menschen, die in ihr leben, niederschreiben konnte. Blättert man durch die insgesamt fünf gefüllten Kondolenzbücher, so liest man oft das Wort „Danke“.
Dabei danken ihm die Menschen für das, was er für Roßwein erreicht hat, für persönliche Gespräche und sie zollen ihm Hochachtung für seinen eigenen tatkräftigen Einsatz bei der Umsetzung neuer Projekte.
Dass seine Gedanken sich bis an sein Ende um das Wohl der Stadt drehten, drückte sich nicht zuletzt in seinem Wusch aus, auf Blumengestecke und Kränze zu verzichten und das Geld zum Wohle der Stadt an die Grafe Stiftung zu geben. Bis zum 04. April gingen insgesamt 4.250 Euro zugunsten der Stiftung ein.
Am 04. April erwiesen hunderte Roßweinerinnen und Roßweiner, Vertreter aus Wirtschaft und Politik, Bürgermeister aus Nachbar- und Partnerstädten, Mitglieder örtlicher Vereine, zahlreiche Freunde sowie Arbeitskollegen Veit Lindner die letzte Ehre. Auf ausdrücklichen Wunsch Veit Lindners und seiner Familie fand die öffentliche Trauerfeier in der Roßweiner Kirche statt.
Beim Betreten der Kirche empfingen Tank Drum-Klänge die Trauergäste. Die Sonne schien durch die Kirchenfenster, Lichtstrahler projizierten wechselnde Farben im Altarraum, in dem auch ein farbiges Bild des Verstorbenen stand. Während der Trauerfeier erklang mehrfach Musik und jene, die Veit Lindner aus seinen Jugendjahren kannten, waren wenig überrascht, als auch Synthwave Klänge eingespielt wurden. Alles spiegelte seinen Esprit, seinen Optimismus und seine bis zuletzt vorhandene Zuversicht.
Pfarrer Dr. Heiko Jadatz war über die Jahre einer der wichtigen Weggefährten des verstorbenen Bürgermeisters. Seine Trauerrede wird für all jene, die nicht an der Trauerfeier teilnehmen konnten, nachfolgend abgedruckt.
An diesem Vormittag ergriff auch seine Ärztin Petra Lorenz das Wort. Sie folgte als Freundin der Familie der Bitte, zu seiner Trauerfeier zu sprechen. Am Ende der Trauerfeier war es seiner Frau Annett ein Bedürfnis, nochmals das Wort an ihren Mann zu richten. Mit berührenden Worten dankte Sie ihm für ihr gemeinsames Glück und die – leider viel zu kurze Zeit – als Familie.
Sichtlich bewegt verließen die Menschen zur Mittagszeit die Kirche. In einem kleineren Kreis fand die Beerdigung auf dem Roßweiner Friedhof statt. Hier wurde dem Willen Veit Lindners entsprochen und 100 kleine Winterlinden an die Trauergäste verteilt, auf das diese zur Erinnerung einen guten Pflanzort nach dem Ermessen jedes einzelnen erhalten.
Erinnern werden sich alle, die Veit Lindner als Mensch geliebt oder als Bürgermeister geachtet und geschätzt haben.
Trauerrede des Roßweiner Pfarrers Dr. Heiko Jadatz
Liebe Annett Lindner, liebe Trauergäste,
draußen blüht und grünt es. Es ist Frühling geworden! Seitdem wir vor einigen Tagen die Uhren auf Sommerzeit umgestellt haben, ist es bis zum Abend noch taghell. Die Sonne scheint schon kräftiger. So nach und nach beginnt das Leben draußen im Freien, im Garten, auf Spielplätzen, in den Grünanlagen.
Auch hier in Roßwein holt sich das Frühlingswetter die Menschen in die Natur zurück. Das ist nicht zu übersehen. Denn auf vielen Grünflächen in der Stadt blühen Narzissen, Tulpen, Krokusse und vieles mehr in den verschiedensten Farben. Frühlingsboten, die das Treiben in der Stadt Roßwein etwas bunter werden lassen.
In diesem Jahr haben die Blumen auf Roßweins Grünflächen eine besondere Botschaft. Sie wirken wie ein letzter Gruß von Veit Lindner. Denn ihm ist es weitgehend zu verdanken, dass sie im Frühjahr in der Stadt blühen. Angeregt hatte er das ganze vor einigen Jahren – als er dazu aufrief, im Herbst Blumenzwiebeln auf den Flächen in die Erde zu bringen. Allen voran Veit Lindner, der nicht nur die Ideen für etwas vorgab, sondern auch tatkräftig mit anpackte.
Dieser farbenfrohe Gruß in Roßwein steht für mich wie ein Sinnbild für das Leben von Veit Lindner. Es war nie eintönig, vieles war mit Weitblick geplant, aber nicht selten wurde auch etwas spontan entschieden und auf den Weg gebracht. Er war ein „Hans Dampf in allen Gassen“ – an seinen Mitmenschen interessiert, ein Blick für das Notwendige, dazu die nötige Tatkraft. Als Bürgermeister von Roßwein wussten das viele Bürgerinnen und Bürger zu schätzen.
Seine Heimatstadt kannte er bestens. Das habe ich immer bei Geburtstagsbesuchen bei den älteren Mitbürgerinnen und Mitbürgern gemerkt. Veit war sofort im Gespräch, wenn es um das Leben in Roßwein ging. Er kannte die Leute, ihre Geschichten, den neuesten Stand der Dinge. Ein „Hans Dampf“ eben, besonders und vor allem in den „Roßweiner Gassen“.
Denn hier ist er aufgewachsen, in der Straße der Einheit, gemeinsam mit seinem älteren Bruder Maik, den Eltern Susanne und Ulrich Lindner und den Großeltern in der Auenstraße auf der Wanne.
Schon als Kind zeigte sich bei ihm der Hang zur Führungskraft. Veit ging voran und zog andere mit. Bereits in der Grundschule organisierte er einen kompletten Wandertag. Und er war auch sonst nie einfach so mit dabei, sondern immer mittendrin bzw. ganz vorn.
Dazu passte auch, dass er bei der Schul-Disko als DJ am Mikrofon stand und auflegte. „Wonderland“ – ein Schild, das er von Bruder Maik übernahm, wurde zum Label für Diskoabende in und um Roßwein. 1986 bekam er als DJ sogar eine sogenannte „Einstufung“, wie es zu DDR-Zeiten in der Branche nötig war. Von da an war er regelmäßig im Club Roßwein engagiert, den er später ganz übernahm und bis Ende der 90erJahre betrieb.
Nach dem Schulabschluss trat er in die Fußstapfen seines Vaters. Zunächst lernte er Elektriker bei der PGH Elektro, ein Studium für Maschinenbau in Roßwein und zum Wirtschaftsingenieur in Mittweida schlossen sich bis Mitte der 90er Jahre an.
Es wäre für Veit Lindner viel zu eintönig gewesen, wenn er sich voll und ganz auf das Studium konzentriert hätte. Auch in der Studienzeit war er umtriebig. Bemerkenswert sein Blick für die Dinge, die wichtig waren und dran gewesen sind. Anfang der 90er Jahre eröffnete er die „Spielewelt Lindner“ in der Dresdener Straße – im Alter von 23 Jahren! Er war der Meinung, dass in Roßwein so ein Geschäft nötig wäre. Bald wurde die Verkaufsfläche zu klein und er zog an den Roßweiner Marktplatz um, ein zweiter Laden wurde in Nossen sogar für kurze Zeit eröffnet. Außerdem bewirtschaftete er den Lindenhof und den Imbiss im Wolfstal. Veit Lindner verstand es mit viel Geschick und Umtriebigkeit die Dinge voranzubringen und am Laufen zu halten.
Das waren dann auch vor gut 20 Jahren die besten Voraussetzungen für das Amt des Bürgermeisters. Dabei trat er nicht allein als „Macher-Typ“ an. Sondern weil ihm die Stadt Roßwein am Herzen lag. Er wollte etwas bewegen mit Herz und Verstand. Das konnte er zur Kommunalwahl 2001 den Wählerinnen und Wählern glaubhaft versichern. Aus dem Stand verbuchte er die meisten Stimmen für sich und wurde so mit Anfang 30 der jüngste Bürgermeister in Sachsen.
Und so wurde er Bürgermeister mit Leib und Seele. Das war für ihn kein Job, den man eben beruflich so macht. Sondern dieses Amt war für ihn eine Berufung, die ihn ganz forderte und der er sich auch voll und ganz stellte. Rückblickend auf seine 21 jährige Amtszeit sagte er: „Ich würde das alles wieder so machen!“ Bereut hat er seinen Schritt in die Kommunalpolitik also nie. Obwohl es sicherlich auch Durststrecken gab, die auch einem Veit Lindner den Schlaf raubten. Als 2002 und 2013 die Freiberger Mulde ganze Straßenzüge unter Wasser setzte, als der Hochschulstandort nach langer Tradition aufgegeben wurde, als man den Roßweiner Bahnhof vom Netz nahm, als für das Schmiedewerk das „Aus“ signalisiert wurde. Das alles nahm er nicht so hin, sondern er kämpfte. Und es schmerzte ihn, weil mitunter alles Bemühen und Kämpfen dann doch nichts nützt.
Trotz kleiner Rückschläge ist es Veit Lindner aber im Laufe seiner Amtszeit gelungen, die Stadt auf vielen Gebieten erheblich voranzubringen. Er war eben Bürgermeister mit Leib und Seele, war mit dabei – nicht nur als Zuschauer, sondern er packte mit an. Er ging auf die Menschen zu, interessierte sich für ihre Belange, machte sich darüber Gedanken und suchte nach Lösungen.
So kannten ihn die meisten Roßweinerinnen und Roßweiner und schätzten seine Art.
Viele fragten sich, wie er das alles macht und vor allem durchhält.
Veit Lindner fand und suchte seinen Ausgleich. Eine Joggingrunde am Sonntagvormittag, ein paar Tage an der Ostsee auf Rügen oder für mehrere Wochen in Indien. Das waren die Momente und Zeiten, in denen er alles Dienstliche beiseitelegen und durchatmen konnte. Einfach am Strand spazieren gehen und Steine sammeln. So kannte man ihn sonst nicht, doch hier fand er die nötige Ruhe und Entspannung.
Ein wichtiger Ausgleich und eine große Stütze war für ihn seine Partnerin Annett. Die beiden lernten sich 2009 kennen und ihre Wege führten sie mehr und mehr zusammen. Im Sommer 2013 fiel dann die Entscheidung, gemeinsam in Roßwein zu wohnen. Das Haus am Hohen Rain wurde zum Zuhause für Veit, Annett und ihre beiden Kinder Felicitas und Alwin. Es war für ihn ein „doppeltes Glück“, eine Partnerin und zugleich eine Familie zu haben. Sein Familienleben hat Veit Lindner als Bürgermeister nie nach außen getragen – es war sein wichtiger Rückzugsort, den er genießen konnte und den er brauchte. Das hat man gespürt, dass er in seiner Partnerin Annett und in der Familie eine wichtige Stütze, eine Heimat hatte.
Wir haben uns darüber unterhalten, wie wichtig es ihm war und was für eine Freude er daran hatte, dass zu Weihnachten die ganze Familie zusammen war.
Wie wichtig eine Familie ist und ihm am Herzen lag, das wurde ihm in selber Zeit auch schmerzlich deutlich. 2010 verstarb seine Mutter Susanne Lindner nach schwerer Krankheit. Die Familie, sein Bruder Maik, sein Vater Ulrich und Veit selbst, trugen schwer an ihrem Tod.
Für Veit Lindner war das ohne Zweifel ein Einschnitt. Doch noch längst kein Anlass, um stärker über den eigenen Tod nachzudenken. Vielmehr blickte er nach vorn, bewältige als Bürgermeister die Flutkatastrophe im Sommer 2013 und vor allem in bemerkenswerter Weise die Flüchtlingssituation 2015. Die Stadt stand fast vor einer Zerreisprobe. Doch ihm ist es gelungen, das zu verhindern und den Zusammenhalt zu bewahren. Dabei griff er auf seine bewährten Rezepte zurück: ging auf die Leute zu, hörte ihre Anliegen, machte sich Gedanken, doch schwang nicht nur Reden, sondern setzte die Dinge in die Tat um. Nicht zuletzt setzte er auch Zeichen, unkompliziert, aber wirksam. Ich erinnere mich, dass er mit einem der Roßweiner Flüchtlinge an einem Halbmarathon teilnahm. Solche Aktionen sagten vielmehr aus als lange Diskussionen.
Ich könnte hier noch viele Dinge anfügen, die Veit Lindner für seine Stadt und vor allem für die Menschen als Bürgermeister getan hat. Er war einfach umsichtig, aufgeschlossen, immer an den Menschen dran und interessiert. Wie schon in seiner Kindheit – nie nur so mit dabei, sondern immer mittendrin und oft auch vornan. Wie man das eben bei einem Bürgermeister auch erwartet, besonders in schwierigen Momenten und Zeiten.
Zuletzt hat er das auch in der Corona-Zeit bewiesen – eine schwierige Zeit für uns alle und es fehlte überall die nötige Erfahrung, wie mit einer Pandemie bzw. mit einem Lockdown umzugehen ist. Ich habe in dieser Zeit oft den Satz gehört: „Da können wir nur auf Sicht fahren“ – so war es überall und natürlich auch im Roßweiner Rathaus. Schwierige Entscheidungen waren zu treffen. Besonders im Blick auf das Schul- und Heimatfest im Sommer 2020, das zugleich als Stadtjubiläum begangen werden sollte. Wir standen ja dafür alle in Roßwein schon in den Startlöchern. Die Vorbereitungen hatten wir schon auf den Weg gebracht. Ich weiß, dass es Veit Lindner schwer gefallen war, das Stadtfest mit langer Tradition abzusagen. Zunächst stand eine Verschiebung um ein Jahr im Raum. Schließlich wurde es ganz gestrichen und für 2025 das nächste Schul- und Heimatfest geplant. Damals hätte niemand für möglich gehalten, dass Veit Lindner das selbst nicht mehr miterleben wird.
Doch im Sommer 2021 bekam er die ärztliche Diagnose, die alles veränderte. Noch bis zum November erledigte er alle Amtsgeschäfte so, als sei gesundheitlich alles in Ordnung. Und selbst vor der ersten Chemotherapie war er zuversichtlich, dass er das alles übersteht. „In 6 Wochen bin ich wieder da!“ ließ er den engsten Mitarbeiterkreis im Rathaus wissen. Doch es wurde ein langer und schwerer Weg – mit Hoffen und Bangen, mit Zuversicht und Kraftlosigkeit. Seine Partnerin Annett, die Kinder Felicitas und Alwin, die Freunde in der Nachbarschaft – sie alle standen ihm besonders zur Seite und bestärkten ihn.
Besonders verbunden fühlte er sich aber mit seiner Annett. Im Oktober 2021 hielt er am Kap Arkona um ihre Hand an, im Dezember haben die beiden in Roßwein geheiratet – ohne großes Aufsehen, fast heimlich. Es war den beiden einfach wichtig, zueinander deutlich „Ja“ zu sagen.
Im letzten Jahr gab es für Veit Hoffnungen, sein gesundheitlicher Zustand verbesserte sich. Er blühte regelrecht auf, als er mit seiner Ehefrau im Sommer an der Nordsee war.
In den Monaten zuvor bewegte ihn ein Herzensanliegen. Er fragte sich, ob er sich noch einmal als Bürgermeister zur Wahl stellen sollte. Mit seinem Bruder Maik spielte er die Überlegung auf einem Spaziergang durch. Nach vielen weiteren Gesprächen und Nachdenken gab er schweren Herzens die Pläne auf. Nach 21 Jahren endete so sein Amt als Bürgermeister. Er hat in seinen Amtsjahren in Roßwein eine Ära geprägt, die in der Erinnerung und in den Herzen bleiben wird. Dass Veit Lindner kurz vor seinem Tod Ehrenbürger der Stadt wurde, das hat diese Ära noch einmal deutlich unterstrichen. Die Freude und Rührung darüber war ihm an diesem Abend deutlich anzusehen.
In den letzten Wochen seines Lebens nahm er noch einmal alle Kraft zusammen. Es war schmerzlich, dass Mitte Dezember sein Vater Ulrich Lindner starb.
Für das Weihnachtsfest hatte er ein festes Ziel: alle sollten noch einmal da sein. Dazu gehörte auch der Besuch der Christmette am Weihnachtsmorgen hier in der Kirche, zu der er die Familie und die Nachbarn „ins Schlepptau“ nahm. Da zeigte er noch einmal deutlich seine Stärke: Er nahm die Sache in die Hand und ging voran.
Anfang März verschlechterte sich sein Zustand deutlich. Seine Ehefrau, ihre Kinder, die Familie und einige Freunde standen ihm zur Seite. Vom Pflegebett im Wohnzimmer konnte er über seine Stadt Roßwein schauen, für die er so viel Gutes und Wertvolles getan hat – mit Herz und Verstand, mit Tatkraft und meist voran. In der Nacht vom 12. auf den 13. März ist er von uns gegangen. Er starb zu Hause im Kreis seiner Familie. Es ist noch gar nicht zu fassen, dass er nicht mehr bei uns ist. Ich hoffe und wünsche mir, dass in Roßwein und darüber hinaus Veit Lindner über die Zeiten hinweg in der Erinnerung bleiben wird – für das was er für die Menschen in der Stadt und für die Menschen in seinem ganz persönlichen Leben getan und bedeutet hat. Nicht zuletzt dafür sollen noch in vielen Jahren im Frühjahr die Blumen auf den Roßweiner Grünflächen blühen. Als bunte und lebendige Erinnerung an Veit Lindner.