Rathaus-Galerie – Schwarze Mieder, Rüschen und ein Geigerzähler….
… all das hatte die Ausstellungseröffnung am Freitag, dem 12. Mai in der Rathausgalerie zu bieten und noch viel mehr. Hans-Jürgen Reichelt eröffnete vor einem zahlreichen Publikum seine Bilderschau „Retrotopia“.
An den Wänden der Galerie hängen fast ausschließlich Portraits von Frauen, die während verschiedener Wave-Gothic Treffen in Leipzig an den einschlägigen Orten wie z. B. dem Agra-Gelände flanierten und die Aufmerksamkeit des Künstlers erregten. Hans-Jürgen Reichelt fotografierte diese – auf ganz besondere Weise reizvollen Frauen – und wählte einige Fotos als Motivvorlage für seine Bilder aus.
Die mehrheitlich in Acryl gearbeiteten Werke werden durch vier Radierungen ergänzt. Schon beim Aufbau der Ausstellung fanden die außergewöhnlichen Arbeiten große Bewunderung, dies setzte sich am Eröffnungsabend der Ausstellung fort.
Paul Nagel alias Paul Geigerzähler kam an diesem Freitag extra aus Berlin nach Roßwein, um mit seiner Geige den musikalischen Teil zu gestalten. Virtuos stimmte er die Besucherinnen und Besucher auf den Abend ein und fand damit viel Anklang.
Bürgermeister Hubert Paßehr hieß die Anwesenden herzlich willkommen und gab seiner Freude darüber Ausdruck, dass diese ungewöhnliche und reizvolle Ausstellung in Roßwein präsentiert wird. Dass er sich die Bilder ganz bewusst betrachtet hat, war spätestens dann klar, als er über das Bild sprach, welches ihn ganz besonders ansprach.
Für die Einführung in die Ausstellung hatte der Künstler gemeinsam mit Ines Lammay von der Stadtverwaltung ein Frage-Antwort Format gewählt, bei dem die Besucherinnen und Besucher einiges über den Künstler selbst und die Ausstellung erfuhren.
Mit angeregten Gesprächen vergingen die Abendstunden wie im Flug und nun haben all jene, die den Freitagabend versäumt haben, noch bis Anfang Oktober die Möglichkeit, die Bilder in Ruhe zu betrachten.
Als abschließender Höhepunkt der Ausstellung findet am 29. September um 19.30 Uhr im großen Rathaussaal Roßwein eine Lesung zu dem Thema statt.
Sascha Lange liest an diesem Tag aus seinem Buch „Our Darkness – Gruftis und Waver in der DDR“. (Kartenreservierung unter 034322/4660 oder per E-Mail Eintritt: 15 €, erm. 10 €)
Our Darkness erzählt die Geschichte von Wavern und Gruftis in den Achtzigern – in der DDR. Denn auch hinter den Eisernen Vorhang drang die Musik von The Cure, Anne Clark, Sisters of Mercy, Joy Division und vielen anderen. Ihr Markenzeichen: Melancholische Musik, ausladende Frisuren und schwarze Kleidung.
Aus geschmuggelten Bravos und dem Jugendradio DT64 suchten sich Jugendliche in der DDR ab Mitte der Achtziger ihre Informationen zur Waver- und Grufti-Jugendkultur zusammen, bastelten sich in vielen Stunden ihre eigenen Interpretationen des Outfits und schufen sich eine eigene kulturelle Heimat. Auch die zahlreichen Anfeindungen durch Faschos und den DDR-Sicherheitsapparat konnten die Ausbreitung dieser Jugendkultur nicht stoppen.
Turbulent und legendär war am 4. August 1990 das erste Konzert von The Cure in der Noch-DDR: ein Höhepunkt dieser Jugendkultur. Mit dem ersten von Gruftis organisierten Wave-Gotik-Treffen im Mai 1992 in Leipzig schließt sich der Kreis.
(Dauer der Lesung ca. 75 Minuten, umrahmt von zahlreichen Fotos via Beamer. Das Buch erschien im Mai 2022 im Ventil Verlag.)