Kerzen an den Stolpersteinen und das Thema „Kunst und Kultur im Rahmen der Shoah“
Vor neun Jahren fand die erste Mahn- und Gedenkveranstaltung zu jüdischem Leben in Roßwein statt. Insgesamt 12 Stolpersteine wurden dazu an vier Standorten im Stadtgebiet verlegt. Seither organisieren die Mitglieder einer eigens dafür gegründeten Kooperation, die sich aus der Kirchgemeinde Roßwein, dem Döbelner Treibhaus e.V. und der Stadtverwaltung Roßwein zusammensetzt, Mahn- und Gedenkveranstaltungen.
Diese Veranstaltungen finden an einem der Stolperstein-Verlegeorte ihren Anfang. In diesem Jahr trafen sich Akteure und Interessierte in der Mühlstraße. Gemeinsam lasen Bürgermeister Hubert Paßehr und Pfarrer Dr. Heiko Jadatz die Biografien der jüdischen Familie Goldmann vor – soweit diese durch den Treibhaus e.V. recherchiert werden konnten. Der Roßweiner Posaunenchor rahmte diesen andächtigen Veranstaltungsauftakt musikalisch.
Kerzen und Rosen wurden niedergelegt, die Stolpersteine poliert und danach fand der Abend in der vollbesetzten Roßweiner Winterkirche seine Fortsetzung. Das Klezmer-Duo Azind stimmte mit Geige, Akkordeon und Mandoline auf das diesjährige Thema „Kunst und Kultur im Rahmen der Shoah“ ein.
Nach der Andacht durch Pfarrer Jadatz übernahm Sophie Spitzner die Moderation des Abends. In ihren einleitenden Worten nahm sie auf die Funktion und Bedeutung von Kunst und Kultur für jüdische Menschen aller Altersgruppen in Konzentrations- und Vernichtungslagern Bezug. Sie hob dabei hervor, dass jene, die sich künstlerisch ausdrückten, auch eine Spur von sich hinterlassen wollten, dass sie über ihre Erlebnisse Zeugnis ablegen wollten, dass sie ihre Kunst als Widerstand verstanden und damit auch dem Prozess der Entmenschlichung entgegenwirkten.
Mit einzelnen Texten und Gedichten, verfasst von jüdischen Gefangenen, vorgetragen von Veronika Luther, Pfarrer Dr. Jadatz, Jörg Senf, Klara Luther, Diana Senf und Ines Lammay erhielten fünf Menschen eine Stimme und wurden gehört: Salmen Gradowski, Fania Fènelon, zwei Kinder aus Theresienstadt, unter ihnen Pavel Friedmann (17 Jahre, Theresienstadt), von ihm stammt folgendes Gedicht:
Der Schmetterling
Der letzte war’s der aller allerletzte
der satt und bitter blendend grelle
vielleicht wenn eine Sonnenträne irgendwo auf weißem Stein erklingt
so war das Gelb
und trug sich schwebend in die Höhe
er stieg gewiss gewiss wollt‘ küssen er dort meine letzte Welt
und sieben Wochen leb ich da
gettoisiert
hier fanden mich die Meinen
mich ruft der Löwenzahn
und auch der weiße Zweig im Hof auf der Kastanie
doch einen Schmetterling hab ich hier nicht gesehn
das war gewiss der allerletzte
denn Schmetterlinge leben nicht im Getto.
Im Anschluss an die Veranstaltung hatten die Besucherinnen und Besucher die Gelegenheit, miteinander ins Gespräch zu kommen. Allen Beteiligten soll an dieser Stelle für ihre Mitwirkung gedankt werden, und die Initiatoren der jährlichen Mahnwache laden schon heute für den 09. November 2024 zur nächsten Gedenkveranstaltung ein.
(Text: IL und Bilder: IL, Thomas Meyer)