Roßweiner Geschichten zum Seniorencafè
Die Stadtverwaltung lud am 24. April die Roßweiner Seniorinnen und Senioren zu einem besonderen Nachmittag in den kleinen Rathaussaal ein.
Zu Beginn begrüßte Hauptamtsleiter Ronny Kienert die Gäste und Franziska Riedel von der Initiative Bürgerhaus und nutze die Gelegenheit, sich und das Projekt Bürgerhaus vorzustellen.
Nachdem Sophie Spitzner und Stephan Conrad von der AG Geschichte des Döbelner Vereins Treibhaus e.V. mit unterschiedlichsten Unterstützern die Geschichte jüdischer Familien im Altkreis Döbeln in der Zeit von 1933-1945 recherchierten, wurden ihre Arbeitsergebnisse nun als erstes Druckwerk zu diesem Thema in unserer Region veröffentlicht.
An diesem Nachmittag stellten sie die Broschüre „Niemand kam zurück – Jüdisches Leben im Altkreis Döbeln bis 1945“ den Anwesenden im Rahmen eines Vortrages und durch die Präsentation von Bildern vor. Das jüdische Leben erlosch während der betreffenden Jahre in Roßwein vollständig. Neben Familie Goldmann, Familie Bibring, Familie Sachs und Familie Strauß, hier wurden im Jahr 2016 auch Stolpersteine vor den ehemaligen Wohnorten verlegt, erfuhren die Anwesenden auch von den Familien Luft und Landwirth.
In der Regel verließen die Familien ihre Heimatstadt in den Jahren 1937/38, um der zunehmenden Ausgrenzung und dem Boykott ihrer Lebensgrundlage zu entgehen. Meist führte der erste Weg in eine größere Stadt. Der Umzug war mit der Hoffnung verbunden, in der Anonymität Schutz zu finden. Dies gelang jedoch fast nie. Und so wurden die Menschen von den großen Bahnhöfen Deutschlands in Richtung Osten abtransportiert und in einem Konzentrations- oder Vernichtungslager ermordet. Es war die Ausnahme, dass Familien dem System entkommen konnten und so nannte es Stephan Conrad ein großes Glück, dass sich der Kontakt zu einem Nachfahren der Familie Goldmann ergeben hat, der dann über die weitere Familiengeschichte berichten konnte. In diesem speziellen Fall retteten sich Teile der Familie nach Australien und später nach Israel.
Einige der Anwesenden konnten sich noch gut an die jüdischen Familien in Roßwein erinnern, da diese meist ein Geschäft führten oder die Kinder Schulkameraden waren. Frau Gertraude Block erzählte z.B., dass sie im Kaufhaus Luft eine Kinderdecke bekam und darüber sehr froh war. Frau Block übergab an diesem Nachmittag an Sophie Spitzner auch noch Briefkopien einer Haushälterin der Familie Luft. Dankbar nahmen Frau Spitzner und Herr Conrad die Dokumente entgegen und freuten sich, dass sich bei den Recherchen immer weitere Anknüpfungspunkte finden lassen. Stephan Conrad unterstrich dabei, dass es ihm und Sophie Spitzner ein großes Anliegen ist, auf diesem Gebiet weiter zu forschen.
Frau Lautenschläger berichtete, dass ihre Eltern (die Generation 90+ d. A.) nicht mit ihren Kindern über die Zeit des Nationalsozialismus und über das Verschwinden der jüdischen Mitmenschen sprachen.
Am Ende des Nachmittags schrieben sich die Anwesenden auf einer Bestellliste für diese Broschüre ein. Leider konnten sie diese nicht sofort mitnehmen, da die 1. Auflage bereits vergriffen ist.
Den Lesern der Roßweiner Nachrichten wird auch dieses Angebot gemacht. Wer Interesse an der Broschüre „Niemand kam zurück – Jüdisches Leben im Altkreis Döbeln bis 1945“ hat, kann dies schriftlich oder per Mail unter Angabe seines vollen Namens, Anschrift und Telefonnummer tun.
An dieser Stelle einen herzlichen Dank an Sophie Spitzner, Stefan Conrad und all jene, die die beiden mit Informationen oder Bildmaterial ausgerüstet haben. Nur so können die Geschichten vollständig abgebildet werden.