Mahnwache und Gedenken mit Klezmer-Musik und koscherem Wein

Am 09. November 2019 gab es nicht nur die zahlreichen Veranstaltungen für den Fall der Berliner Mauer vor 30 Jahren, sondern auch jene, die das Gedenken an die Novemberpogrome 1938 und ihre Folgen zum Inhalt hatten. Seit der Verlegung von Stolpersteinen zur Erinnerung an jüdisches Leben in Roßwein im Jahre 2015 werden diese Steine regelmäßig am 09. November geputzt und Kerzen und Blumen niedergelegt. In diesem Jahr luden die Stadtverwaltung Roßwein, der Treibhaus e.V. Döbeln und die Evang. Kirchgemeinde Roßwein zu einer Mahnwache in die Nossener Straße ein. Hier begrüßte Bürgermeister Veit Lindner die ca. 30 anwesenden Personen und dankte dem Posaunenchor dafür, dass er, wie jedes Jahr, für einen angemessenen musikalischen Rahmen sorgte. Pfarrer Dr. Heiko Jadatz gedachte der jüdischen Familie Strauß, die in der Nossener Straße 11 wohnte, und verlas das Schicksal der Familienmitglieder, welches durch die AG Geschichte des Treibhausvereins Döbeln e.V. recherchiert wurde. Im Anschluss daran lud er alle Anwesenden zu einem heißen Tee und koscheren Getränken in die Winterkirche ein. Hier fand um 18.45 Uhr die Gedenkveranstaltung statt, an deren Anfang eine Andacht des Pfarrers stand. Die jungen MusikerInnen – Eva Hilbert (Violine), Julianna Ryszka (Klarinette), Moritz Wußing (Akkordeon), Marieke Kind (Kontrabass) –  der  Klezmer-Musikgruppe „Quadro Freylach“ aus Leipzig – spielten an diesem Abend ein gut ausgewogenes Programm aus melancholischen und lebensbejahenden Stücken der jüdischen Musik.

Zwischen Liedern trugen Matthias Wolf, Dr. Andreas Englmüller, Jörg Senf, Pfarrer Dr. Heiko Jadatz, Bürgermeister Veit Lindner und Heidi Jadatz Auszüge aus biografischen Texten jüdischer Menschen aus ganz Deutschland vor. In diesen Texten schilderten die AutorInnen aus ganz persönlicher Sicht, wie sie den 09. November 1938 und die darauffolgenden Tage als Betroffene erlebt haben. Sophie Spitzner vom Treibhausverein Döbeln betonte in ihrer Moderation, dass es nicht so einfach ist, derartige Texte zu recherchieren, da viele jüdische Menschen nach diesem 09. November 1938 keine Gelegenheit mehr zu derartigen Aufzeichnungen hatten. Viele von ihnen überlebten die Zeit der Verfolgung durch die Nazis nicht.

Den Erlebnisberichten hörten die über 50 BesucherInnen aufmerksam zu. Es war dabei so still, dass man die sprichwörtliche „Stecknadel“ auf den Boden fallen hörte.  Der Historiker Matthias Wolf vom Heimatverein Roßwein schilderte zum Abschluss, was er über den Boykott jüdischer Geschäfte kurz nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten für die Stadt Roßwein recherchiert hat. Damit verdeutlichen seine Ausführungen den Beginn der Ausgrenzung, Verfolgung und Entrechtung der jüdischen Bevölkerung auch in Roßwein, die sich später zur systematischen Ermordung entwickelte. Matthias Wolf arbeitet derzeit in Vorbereitung auf das kommende Schul- und Heimatfest an einer Chronik für die Stadt Roßwein und wendet sich auch der Zeit zwischen der Machergreifung Hitlers und dem Kriegsende zu.

Es sei an dieser Stelle nochmals allen herzlich gedankt, die zum Gelingen dieses würde- und anspruchsvollen Abends beigetragen haben. Viele der BesucherInnen erlebten berührende Momente, worüber sich beim geselligen Abschluss rege ausgetauscht worden ist. Voller Neugier wurde auch von dem koscheren Bier und den Rot- und Weißweinen gekostet. Manche nahmen gern ein zweites Glas. Ein herzliches Dankeschön geht auch an die Stadt Roßwein, die diese Veranstaltung mit einem Zuschuss aus dem Bürgerhaushalt finanziell unterstützte.