Ausstellungseröffnung am 12. Mai 2023 in der Rathausgalerie

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Ausstellung „Retropia“ von und mit Hans-Jürgen Reichelt, Eröffnung 12.05.2023, 19.00 Uhr , Rathausgalerie Roßwein, Musik Paul Geigenzähler (Violine und Gesang)

Intro zur Ausstellung

Pfingstsamstag 2007, 10.00 Uhr, die Sonne brennt schon, ich steh‘ am Tor zum Agra-Gelände in Leipzig-Markleeberg. Ich blicke durch die Gitterstäbe und die Augen bleiben schon drei Meter vor mir hängen an wild aufgebauschten schwarzen Haaren, an einem zur Wespentaille geschnürten Korsett und an hochglänzenden Stiefeln einer Domina-Gestalt. 70 Euro Eintritt – ein Schnäppchen, sagt mein kleiner Mephisto – eine gute Schutzgebühr. Gleich hinter dem Tor beginnt die lange Promenade. Die Neuankömmlinge schreiten langsam dahin. Rechts und links steht „die Szene“, die den Laufsteg schon absolviert hat, die Kameras im Anschlag. Jedes neue Modell wird genauestens registriert und abgelichtet. Wer wagt was und wieviel davon und setzt es wie genau in Szene?

Mut lohnt sich und Kollegenlob zählt doppelt. Es ist der ultimative Laufsteg für die Zeige- und Schaulust der Debütanten, Profis und Outsider ohne das lästige Publikum der Spießer, die tatsächlich am Eintrittspreis gescheitert sind.

Samstagabend, der Kameraakku ist leer, die am Vormittag noch stolz defilierenden Frauen sitzen gelangweilt auf dem Rasen vor der Konzerthalle, während die schwarzledernen Herren an der Pizzabude einen Joint rauchen.

Sascha Lange schreibt in seinem Buch „Our Darkness – Gruftis und Waver in der DDR“ folgendes: „Man ist in die Szene gegangen, weil man diese Musik gut fand, diese melancholische, diese schwermütige, weil man ein introvertierter Mensch war … um dann eben auch mit der Kleidung, mit der Frisur den Leuten zu zeigen, ich bin anders als Ihr. Das begann so ab 1987 in der DDR.“

Die schwarze Szene wurde staatlicherseits observiert, aber nicht als systemgefährdend eingestuft. Nur nächtliche Aktivitäten auf Friedhöfen wurden polizeilich verfolgt. Ich bin erst 2006 durch ein Gespräch mit einem Künstlerkollegen, der sein Brot mit Portraitzeichnungen auf Mittelaltermärkten verdient, auf das große Treffen der Szene in Leipzig aufmerksam geworden.

Ich bin nach wie vor ein Außenstehender, der die in der WGT-Szene erbeuteten Schnappschüsse als Einstieg in eine sporadisch zwischen den längeren Radierphasen ans Licht drängende Malleidenschaft verwendet. Aus der uferlosen Fülle der Motive wähle ich diejenigen aus, an denen mein Auge immer wieder hängenbleibt, die mich faszinieren, so dass ich mir einigermaßen sicher bin, dass es ein gutes Bild wird.

Hans-Jürgen Reichelt

Göltscha im Februar 2023

Zur Person Hans-Jürgen Reichelt

1956                      geboren in Olbernhaus, Kindheit und Schulzeit in Seiffen (Erzgebirge)

1979-82                Fachschulstudium Restaurierung für baugebundene Kunst in Potsdam

1982                      Geburt des Sohnes Tonio

1984                      Kauf des Atelierhauses des Dresdener Malers Udo Lenkisch in Seiffen

1986                      Ende der Arbeit als Museum-Restaurator und Beginn des freien Arbeitens an den

Radierungen zu den in sito erhaltenen Bauernhäusern des 18. und 19. Jahrhunderts

im Taum Seiffen-Freiberg-Frauenstein

Ab 1990               freiberufliches Arbeiten als Maler, Grafiker und Restaurator

1993                      Aufnahme in den Künstlerbund Dresden

1999                      Umzug in die Dresdner Neustadt

2003-07                in der Produzentengalerie „Oberlicht“ in Radebeul/Altkötzschenbroda

2007                      Kauf eines alten Häuslerhauses in Göltzscha (Lommatzscher Pflege)

2007-15                Gemeinschaftsatelier mit Malerin Maja Nagel in Dresden-Pieschen

2014                      Stipendium Fotoprojekt „nature morte WK I“ Stiftung Käthe Kollwitz

2016                      Umzug ins ausgebaute Atelierwohnhaus in Göltzscha (Stadt Nossen)

 

Einzelausstellungen (Auszug)

2009                      Galerie Schmidt-Rottluff Chemnitz

2011                      Galerie Art Gluchowe Glauchau

2011                      Galerie Landesdirektion Dresden

2013                      Rathausgalerie St. Ingbert

2016                      Galerie Schmidt-Rottluff Chemnitz

2017                      Galerie im Alten Gefängnis Freising

2018                      Galerie im Kurhaus Bad Elster

2022                      Galerie Wildeshausen/Bremen

2023                      Foyer Neues Theater Halle/Saale

2023                      Galerie im Rathaus Roßwein

Weitere Informationen: www.hans-juergen-reichelt.de

 

Übrigens

…findet zum Ende der Ausstellung am 29. September 2023 um 19.30 Uhr im Rathaus eine Lesung mit Sascha Lange statt. Der Leipziger liest aus seinem Buch „Our Darkness – Gruftis und Waver in der DDR“. Informationen zum Kartenverkauf werden rechtzeitig veröffentlicht.